Wenn der Notarzt Dich sprachlos macht …

Letzte Woche Freitag! Anruf aus der Schule: „Frau Leithe, Ihre Tochter ist umgekippt, der Notarzt ist unterwegs, können sie bitte schnell kommen?“

Natürlich!

Während ich, jede Ampel und den vor mir her schleichenden Opa verfluchend, in die Schule rase, sage ich mir mein Lieblingsmantra: „Alles ist gut!“

Gedanken wie „Warum kippt die denn einfach um?“, „Ob sie immernoch bewusstlos ist?“, „Dir wird doch nicht K… haben?“ (ich mag es nicht ausschreiben, ich wage es ja nicht mal zuendezudenken geschweige denn auszusprechen, aber der Gedanke war halt kurz da.)

„ALLES IST GUT!“

Als ich vor der Schule auf den Parkplatz gegenüber einbiege, sehe ich zwei Schülerinnen halb auf der Straße stehen um den Krankenwagen einzuweisen.

„ALLES IST GUT!“

Ich frage die zwei ob ich etwa vor dem Krankenwagen da bin. -> Ja!
Wo ist sie denn? -> Das zeigen Ihnen die zwei da hinten!

„ALLES IST GUT!“

Zwei weitere Schülerinnen stehen am Eingang in die Schule. Ich rase hin.
Ich: „Wo ist meine Tochter denn?“
Schülerin: „Sie liegt im Bioraum, ich zeig es Ihnen.“
Ich: „Ist sie bei Bewusstsein?“
Schülerin: „Es war mitten in meinem Vortrag, sie ist einfach umgekippt, Herr U. hat sie zum Glück aufgefangen…“
Ich: „IST! SIE! BEI! BEWUSSTSEIN?“

Zum Glück kommen wir gerade an, mein Kind liegt in stabiler Seitenlage vor der Tafel auf dem Boden und hat die Augen auf. Sie ist leichenblass, ihr ist tot schlecht und sie mag nicht reden oder angefasst werden. Der Lehrer erzählt mir sie wäre nur kurz weg gewesen und seit dem lieber liegengeblieben. Ich sehe mich um. Außer uns sind noch 4 Schülerinnen anwesend die alle mitleidend gucken. Im Hintergrund hören wir das Martinshorn und warten. Mein Blick wandert zur Tafel und ich lache auf. Eine Seite des Vortrags leuchtet noch vor sich hin und verkündet ´die Beschaffenheit von Bodenbakterien´. „Nah, davon haste dich ja wohl gleich selbst überzeugen wollen!“ witzel ich vor mich hin als der Krankenwagen eintrifft.

Die Sanis kommen mit Ihren schicken Riesenrucksäcken, packen ein Messgerät aus, verkabeln mein Kind und kontrollieren Puls und Blutdruck. Beides schwach aber vorhanden. Der Bauch wird abgetastet, sie wird ausgefragt und bei der Frage: „Hat denn schon Jemand die Eltern informiert?“ stelle ich mich als Mutter vor.

Rettungsassistent: „Hat sie irgendwelche Allergien?“

Ich: „Allergien nicht, aber eine Histaminintoleranz!“

Rettungsassistent (oder Notarzt, da bin ich mir nicht mehr so sicher): „Bitte was? Das geht doch gar nicht! Gegen Histamin kann man nicht intolerant sein. Das ist ein körpereigener Stoff!“

Ich: „Ja ist es, und wenn wir zuviel davon zu uns nehmen oder im Körper freisetzen kommt das nicht sooo gut! Allerdings ist sie deshalb noch nie umgekippt und hat auch noch nichts falsches gegessen!“ Das war natürlich nach Ankunft meine erste Frage an sie gewesen.

Rettungsassistent: „Das hab ich ja noch nie gehört!“

Es ist unfassbar. Ein ausgebildeter Rettungsassistent (ich habe grad nachgesehen, die machen eine dreijährige Ausbildung) hat noch nie davon gehört! Ich bin sprachlos.

Obwohl

… selbst Ärzte nehmen das nicht wirklich ernst. Bei einer OP-Besprechung hieß es nur, ja ja, ich guck mal nach.
Dabei kann es bei einer Falschbehandlung echt ernst werden.

Meine letzte schlimme Erfahrung in diese Richtung habe ich beim Kaiserschnitt des letzten Kindes gemacht. Seinerzeit wusste ich noch nichts von meiner Intoleranz. Ich wusste nur, dass mir von dem Narkosemittel immer schlecht wurde, also gab man mir nach der Spinalanästhesie (die, wie ich heute weiß, Histamin freisetzt, was mein Körper nicht ausstehen kann) einfach direkt mal Sauerstoff über eine Maske auf Mund und Nase. Irgendwas stimmte aber mit der Maske nicht und ich zog sie wieder weg. Einer drückte sie mir wieder auf den Mund und zog das Gummi fester, ich zog sie wieder weg weil ich keine Luft bekam.
„Das glauben sie nur, sie müssen ganz normal weiteratmen!“
Witzkringel! *böserblick*
Das spielten wir noch zwei oder drei mal bis Jemand bemerkte: „Ups, der Schlauch ist ab. Sie atmen Ihr Kohlendioxid die ganze Zeit wieder ein.“ Da war es aber schon zu spät, mein Kreislauf sackte weg, und ich auch. Man gab mir Adrenalin. Das machte alles aber nur noch viel schlimmer, denn Adrenalin führt zu Herzrasen und Unruhe also Stress und was macht der Körper … er schüttet noch mehr Histamin aus. Der GG flog raus aus dem OP und ich bekam so lange andere Mittel bis mein Kreislauf stabilisiert war.

Bisher dachte ich ja immer, ich (und auch unsere ebenfalls betroffene Tochter) sollte unbedingt einen Zettel bei mir haben, dass ich unter dieser Intoleranz auf Histamin leide, aber wenn das eh keiner kennt ….

Wenn man ´Histaminunverträglichkeit´ googelt, kommen 68.900 Ergebnisse und bei ´Histaminintoleranz` sogar 973.000 Vorschläge. Die ersten sind Anzeigen. Das heißt die Werbeindustrie hat das als Schlagwort auch schon für sich entdeckt. Lieferanten von Tiefkühlkost und Supermarktketten und Allergieratgeber schreiben Empfehlungen wie man sich mit HIT (was übrigens keine Allergie sondern eine Intoleranz ist) ernähren soll. DIE kennen das, aber unser Rettungsassi leider nicht. 🙁

Ich werde uns also mal lieber eine ganze Gebrauchsanleitung machen. Was sie uns geben dürfen und was nicht.

Meiner Tochter geht es übrigens gut. Sie ist nicht mit ins Krankenhaus gefahren, streng genommen hätten sie sie mitnehmen müssen, und auch eine Infusion habe ich abgelehnt. Ich hab sie mit nach Hause genommen, denn nach dem aufsetzen und einigen Minuten ging es ihr wieder ganz gut.

Ursache unbekannt, bei 16 Jährigen Teenagern aber nicht ungewöhnlich.


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