Ich muss loslassen! Es fällt mir schwer!

Als Mutter habe ich bisher viel gelernt. Dazu gehört auch das loslassen.
Als Mutter sagt man sich los von einem aufgeräumten Haushalt, von einem fleckenfreien Sofa, von durchschlafenen Nächten, von der perfekt sitzenden Frisur und vielem mehr.
Als erstes also lernt man als Eltern das loslassen von erworbenen Gewohnheiten.

Hauptsächlich meine ich aber natürlich das loslassen der Kinder.

Du weißt schon, von wegen gib Ihnen Wurzeln und dann Flügel … und so.

Es fängt direkt bei der Geburt an. Neun Monate war dieses Wunder geschützt und behütet in Deinem Bauch. Und mit durchtrennen der Nabelschnur gehts los mit dem loslassen. Du hast kaum angefangen dieses Baby, DEIN BABY zu bestaunen, da kommt schon der erste Besuch und alle wollen es auf den Arm nehmen.
Wieder musst du loslassen.

Es folgen ein paar Monate später die erste Nacht bei den Großeltern, das laufen lernen und Umgebung erkundigen und dann die Eingewöhnung in die KITA. Die Abstände zwischen Deinem Kind und Dir vergrößern sich stetig in Entfernung und Zeit.
Immer wieder muss Du loslassen.

Ich bin ja echt keine klassische Glucke. Helikopter-Mama ist wirklich das letzte Synonym, mit dem meine Freundinnen mich als Mutter betiteln würden. Ich muss meine Kinder nicht ständig an mir oder um mich herum haben. Hinter den süßen Baby- und Kleinkinderphasen trauere ich nicht unbedingt her. Ich bin eher, sagen wir, Zukunftsorientiert. Ich freue mich immer schon auf die nächste Phase die man im entsprechenden Alter der Kids erwartet. z.B. endlich alle BobbyCars und Dreiräder verkaufen, endlich den Vormittag mal ein paar Stunden alleine für mich haben, endlich mit allen Stadt-Land-Fluss spielen weil sie schreiben können. Ich hatte überhaupt keine Probleme die Schreiphasen wegen Koliken oder Zahnen loszulassen, ich bin froh dass wir die 3 Wutphasen hinter uns haben, die der stockende Spracherwerb bei nicht verstehen von Wörtern wie „Amana“, „Raulass“ oder „Bagka“ mit sich brachte.

Ich glaube ein Grund für das bisher nicht aufkommende Gefühl von Oh-Gott-wieso-ist-dieses-Kind-schon-so-groß ist, dass ich noch immer die Jüngste im Hinterkopf hatte. Als die heutige TeenagerTochter in die Schule kam, gab es das Spanienkind im Kindergarten und der Wunsch nach einem Dritten war fest verankert und die Umsetzung in Arbeit. Als dann das Spanienkind plötzlich auch schon mit der Schultüte stolz grinsend vor uns stand, beruhigte ich die aufkeimende Panik mit Du-hast-doch-noch-den-Sonnenschein, die war inzwischen schon im Kindergarten.

JETZT aber kommt dieser süße kleine Sonnenschein in die Schule.

Ich habe, wie hier beschrieben, diese letzten Wochen des Kindergartenkindes sehr genossen. Die Wege zum Kindergarten. Diese Minuten, die wir ganz für uns allein hatten, werde ich total vermissen. Auslöser für diesen Beitrag war z.B. ein Morgen an dem wir, wie meistens, zu Fuß gingen. Raus aus dem Haus, durch den Innenhof Richtung Straße, vorbei am Briefkasten, auf dem Bürgersteig vorbei an der Bushaltestelle. In der einen Hand eine Tasche mit Altpapier, für die Papiertonne mit der die Kinderkasse monatlich aufgefüllt wird, mogelte sich total selbstverständlich eine kleine süße warme Hand in meine andere noch freie Hand. Dieses Gefühl der warmen Geborgenheit, die man als Mutter in diesem Moment ausstrahlt, liebe ich von ganzem Herzen.
Seit über 13 Jahren gibt es immer eine kleine warme Hand die ich halten darf. Manchmal ist sie ängstlich kalt, manchmal ist sie verschwitzt vom spielen und toben, oft verklebt von zuckrigen Nahrungsmitteln oder ordinärem Dreck. Aber niemals, wirklich NIEMALS war es unangenehm. Ich liebe es, wenn meine oder auch andere Kinder Ihre Hand in meine legen.

Für mich ist es auch jedes Mal das beruhigende Gefühl alles wortwörtlich im Griff zu haben. Ich weiß und fühle wo das Kind ist, was es macht und wie es Ihm geht. Alles nur mit dieser kleinen Berührung, die doch so viel bedeutet.

Ich habe ein wenig Angst vor der Zeit wenn das mal aufhört und ich das nicht mehr spüren kann. Wenn meine Hand, oder noch schlimmer ich, nicht mehr gebraucht werden.

Bei einem Kurzbesuch in Berlin vor ein paar Jahren stand ich in der Warteschlange für einen Kaffee to go. Der Sonnenschein, damals ungefähr 2 oder 3 Jahre alt, sah sich neben mir ausgestellte Merchandise-Artikel an. Die Schlange rückte immer weiter und so vertat die Kleene sich, nach dem zurückdrehen zur Schlange, im Bein an das sie sich schmiegte. Die betreffende Dame und ich grinsten uns an. Sie deutete mit dem Zeigefinger an den Lippen und gerührt verzücktem Blick ein „Pscht“ an und flüsterte mir zu: „Das tut so gut, meine sind schon so groß!“ Und während ich das hier schreibe kommen mir die Tränen, denn ich habe Angst davor, dass ich irgendwann diese Dame mit dem Finger an den Lippen bin.

Die TeenagerTochter ist 13 und lässt sich in der Öffentlichkeit so gut wie gar nicht mehr von mir anfassen. Sie ist völlig selbständig in der Stadt unterwegs und unternimmt in Ihrer Freizeit lieber Shopping-Touren mit Ihren Freundinnen als mit mir.

Das Spanienkind ist 10 Jahre alt und vergrößert seinen Radius gerade ebenso merklich. Meine Hand nimmt er, wie die TT auch, schon lange nicht mehr wenn wir unterwegs sind. Bisher lautete die Regel nachmittags aber, dass er zum spielen im Schlossgelände bleibt. Dort gibt es alles was ein Kind so braucht zum glücklich sein, und ich habe die Freiheit als Kind alleine, ohne Aufsicht, draußen spielen zu können auch immer sehr genossen. Seit ein paar Wochen besucht er aber nun ab und an ein paar Freunde in unserem Vorort, ist viel mit dem Rad unterwegs und trägt sein gesamtes Taschengeld nun in Begleitung gleichaltriger Jungs in das nahegelegene Einkaufszentrum. Er wird flügge. Er hat einen eigenen Haustürschlüssel und kommt demnächst nicht mehr mit dem Schulbus jeden Tag um die gleiche Zeit, sondern je nach dem welches öffentliche Verkehrsmittel er nach Schulschluss seiner neuen Schule erwischt hat.

Ja, natürlich kenne ich das schon alles von der Großen Tochter

Aber es ist doch bei jedem Kind, ein neues loslassen. Denn jedes Kind ist anders, jedes Kind macht seinen Weg, in die große weite Welt hinaus, auf seine ureigene Art und Weise.
Und ich muss immer wieder neu loslassen.

Nach den Ferien muss ich also wieder loslassen. Gespannt auf den Weg, den die Kleine nun einschlagen wird genieße ich auch diese Phase. Bis zum nächsten Schritt!

In diesem Sinne: Das mit dem loslassen hört doch irgendwann auf, oder? Spätestens wenn alle verheiratet sind, oder? ODER? *verzeifeltguck*

2 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert