90 Minuten in der Schule vs. 90 Minuten #homeschooling

Versteht mich nicht falsch, ich mag das Konzept der Schule der beiden großen Kinder, die schon immer mit einer Cloudlösung für jeden Schüler arbeitet. Ich mag unsere Schule auch weil es digitale Tafeln und Unterricht am Laptop gibt.

Zuhause aber achte ich darauf, dass die Kinder eben NICHT ständig auf einen Bildschirm starren. Und schon mal gar nicht 8 Stunden am Stück.

Das ist aber derzeit so, denn das was hier täglich abgeht, erkenne ich abends an den dicken Augen der Kids. Nun habe ich einige Lehrer gefragt, ob sie nicht ein bisschen mit der Menge übertreiben. (Natürlich ein wenig netter umschrieben!!!) Einstimmige Antwort: „Es ist nur so viel, wie im Stundenplan auch Unterricht wäre!“

Ja, schönen Dank auch! *kotz*

In der Schule läuft das so:

  • Schulgong / Beginn der Stunde
  • Der Lehrer erzählt was, alle hören zu (wenn Jemand stört wird er/sie ermahnt)
  • stilles selber erarbeiten (Aufgabe wurde erklärt) / Gruppenarbeit
  • sofortige Antwort auf eventuelle Fragen
  • weiterer geregelter Frontalunterricht
  • Bekanntgabe der Hausaufgaben (falls es welche gibt)
  • Schulgong / Ende der Stunde

Zuhause aber läuft das so:

  • Meckernde Mama: Doch bitte ENDLICH an den Schreibtisch zu gehen
  • Kleine Schwester turnt noch herum und sucht Ihr Zeug, also gehe ich auch noch nicht anfangen.
  • Na gut! Aufgaben aus der Cloud hochladen. WLan will mal wieder nicht so richtig schnell. Hängen ja auch nur plötzlich ALLE vorm Internet.
  • Überlegen: drucke ich das jetzt aus und Mama schimpft weil der teure Farbdrucker soviel Toner verschlingt oder drucke ich es nicht aus und beantworte die Aufgaben im Heft und die Lehrer schimpfen, dass es nicht sauber beantwortet wurde.
  • Aufgabe lesen — oh, das Legoteil habe ich gestern gar nicht beendet — ok. nochmal lesen.
  • „Mamaaaah, ich versteh das nicht. — Ja ich warte bis du der kleinen Schwester Ihre Aufgabe erklärt hast!“
  • Dann guck ich solange ob im Klassenchat Jemand was geschrieben hat.
  • Mama steht plötzlich hinter mir und meckert weil ich schon jetzt in WhatsApp rumdaddel.
  • Mama versteht die Aufgabe auch nicht, da muss sie sich erstmal reindenken und einlesen.
  • Mama muss kurz der kleinen Schwester was erklären die nicht mehr warten möchte. — Ja, ich weiß, ihre Aufmerksamkeitsspanne ist eben eine andere als Meine. — Ja, ich weiß, ich kann da besser switchen als sie. Trotzdem komme ich hier nicht weiter.
  • Ich verstehe Mama noch viel weniger als die Aufgabenstellung der Lehrer.
  • Ich frage den Lehrer per Mail und fange schon mal die nächsten Aufgabe an.
  • Wenn ich Glück habe, habe ich bis morgen oder übermorgen eine Antwort. Und inzwischen noch weitere Aufgaben zu dem Thema.

ODER …

  • Aufgabe herunterladen & lesen — oh, das Legoteil habe ich gestern gar nicht beendet —- ok. nochmal lesen.
  • Ich bearbeite die Aufgabe.
  • Nach 5 Minuten habe ich Durst, ich gehe runter und hole mir etwas neues zu trinken.
  • Ich bearbeite weiter die Aufgabe.
  • Mist jetzt hab ich das Glas umgekippt.
  • Schnell ein Handtuch aus dem Bad holen.
  • Mama meckert von unten weil ich schon wieder rumlaufe und nicht konzentriert arbeite.
  • Ich bearbeite weiter die Aufgabe. — Ach Guck, da liegt das Lego-Teil was ich gestern die ganze Zeit gesucht habe, das mache ich da schnell dran.
  • Oh, Mama kommt hoch. Puh, Glück gehabt, sie geht Wäsche machen.
  • Ich bleib mal lieber am Schreibtisch sitzen und arbeite weiter.
  • Mama steckt den Kopf kurz rein und fragt ob alles o.k. ist, räumt das Legobauwerk ins Regal, so dass ich es nicht mehr sehe.
  • Ich frage sie noch was, — ja, das hatte jetzt nichts mit der Aufgabe zu tun, aber das muss ich für heute Nachmittag wissen.
  • Sie meckert wieder ich solle mich auf die Aufgaben konzentrieren, streichelt mir über den Kopf und flüstert: „Halt durch, du schaffst das!“ ins Ohr.
  • Und gleich in der Mittagspause nimmt sie mich wieder in den Arm und entschuldigt sich fürs meckern und erklärt mir wieder, dass sie so unendlich müde ist, aber auch so viel zu tun hat, und mit uns allen Zuhause aber leider gar nichts schafft und Abends immer so lange arbeiten muss.
  • Ich mache weiter.
  • Ich soll ein YouTube Video mit Inhalten des Unterrichtstoffes angucken.
  • Gleich danach kommt ein Video meines Lieblings-YouTubers, das gucke ich auch schnell.
  • Ich habe Hunger.
  • Ich kann mich nicht mehr konzentrieren.
  • Ich muss das doch fertig kriegen.
  • Wie war die Aufgabe nochmal?

ODER …

  • Heute sitze ich unten am Küchentisch, damit die Spielsachen und das Tablet in meinem Zimmer mich nicht ablenken. – Aufgabe lesen!
  • Mama kommt vorbei und macht sich einen Kaffee. Ich frage ob ich was Süßes haben kann.
  • kann ich, oh je … was nehm ich denn … da ist ja auch was neues …
  • Mama meckert ich soll mich endlich entscheiden und weitermachen
  • Ich lese weiter.
  • Meine kleine Schwester jammert nach Mama.
  • Mama meckert die kleine Schwester an ob sie nicht bitte mal eine Aufgabe alleine Zuende machen könnte. Sie müsste wenigstens mal EINE E-Mail beantworten.
  • Ich bin froh, dass sie diesmal nicht mich angemeckert hat und lese weiter.
  • Es klingelt an der Tür. Ich rufe „Ich geh schon!“ und mache schnell auf, denn ich bin eh schneller da und dann kann Mama die E-Mail zu ende schreiben.
  • Die kleine Schwester kommt neugierig angerannt und will wissen wer da geklingelt hat und möchte das Paket rein tragen. — Nein, ich hab das angenommen! — Nein, ich will aber! — Gib das her! — Mamaaaaaah!
  • Mama ist schon wieder sauer, steht mit Tränen in den Augen im Flur und schickt uns brüllend an unsere Aufgaben.
  • Warum hatte Mama jetzt Tränen in den Augen?
  • Habe ich was falsch gemacht? Ich wollte doch nur helfen damit sie die E-Mail — Jahaaaaa, ich mach ja schon weiter.
  • Ich lese die Aufgabe nochmal von vorne, hab schon wieder vergessen was ich machen sollte.
  • Och näh! Das ist doof, da gucke ich lieber was ich in den anderen Fächern machen muss, vielleicht ist da was leichteres dabei.
  • Da kommt meine kleine Schwester und holt sich was zu trinken, ich habe auch Durst. — Ey, ich will auch den Apfelsaft! — Nein, jetzt bin ich erst dran.
  • Mama meckert aus dem Büro wir sollen uns vertragen.
  • Ich mach den Fleck auf dem Boden jetzt nicht weg, das war DIE!
  • Oh, hab ich die Aufgaben von gestern auch wirklich in die Cloud hochgeladen. Hatte ich die wirklich alle fertig oder ist das auf meiner Liste nur abgehakt damit Mama nicht schimpft.
  • Jetzt klingelt das Telefon, wer das wohl wieder ist, was sagt Mama da, der Umzug muss verschoben werden. Warum das denn jetzt schon wieder?
  • Oh, gleich gibts Mittagessen.

SO! sieht! es! aus!

Und soll ich Dir mal was sagen, ich kann meine Kinder sooooooo gut verstehen, dass sie so nicht so konzentriert arbeiten können wie in der gleichen Zeit in der Schule. Selbst ich, die schon jahrelang selbständig ist und sich echt konzentrieren könnte wenn alle in der Schule sind, habe mir einen Co-Working-Schreibtisch in einem entfernten Büro gegönnt, damit ich nicht von Briefträger, Postboten, piependen Waschmaschinen, klingelnden Telefonen und Co. abgelenkt bin.

Woher also sollen diese Kinder das plötzlich in einer Umgebung können, in der sie wenn es hochkommt 1-2 Stunden Hausaufgaben machen, ansonsten aber immer spielen, essen, streiten, trinken, toben, reden, fernsehen, Quatsch machen, chillen, usw.

Kinder, ich verstehe Euch! Auch wenn ich trotzdem mecker und schimpfe!

Ich liebe Euch! Egal ob Ihr die Aufgaben nun schafft oder nicht.

Selbst das Kultusministerium sagt:

Der Lehrplan ist in diesem Schuljahr nicht erfüllbar.

Und mir war schon immer klar, dass ich Euch weder schwimmen noch ein Instrument beibringen kann. Ich sollte Euch nicht Nachhilfe in Mathe geben und auch nicht ernsthaft schöne Portraitfotos machen. Das geht alles besser, wenn es eine Person von Außerhalb macht. Auch wenn ich genau das alles kann, aber eben nicht mit den eigenen Kindern. Denn die Beziehung zwischen Kindern und Eltern ist so emotional, so aufgeladen, so anders, dass das alles mit Außenstehenden besser funktioniert.

Und jetzt sollte ich plötzlich die Lehrerin für meine Kinder spielen. Sie pädagogisch motivieren Ihre Aufgaben zu machen. Einfach mal 8 Wochen die 32 unterschiedlichen Lehrer meiner 3 Kinder ersetzen?

Das konnte doch nur in die Hose gehen. Oder?

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