Leserbrief zum Thema Schultüten

Auf meinen Schultüten-Beitrag von letzter Woche habe ich sehr viele Kommentare, Mails und Hinweise bekommen! 🙂

Manche Leser (aus allen Bundesländern) glauben ich übertreibe, manche haben sehr gelacht (auch aus allen Bundesländern) und viele Leser (meistens aus den neuen Bundesländern) bestätigen mir dass es genauso ist.

Meinen Lieblingskommentar veröffentliche ich Euch jetzt als Leserbrief, denn dadurch habe auch ich noch sehr viel gelernt. Das hätte ich mal als „Zugereiste“ in Sachsen vorher wissen sollen! 🙂

Anja T. schreibt:
„Ich verweise gern auf den Wikipedia-Eintrag zur Schultüte https://de.wikipedia.org/wiki/Schult%C3%BCte und dann sollte sich eigentlich keiner mehr wundern, dass gerade in Thüringen und Sachsen die Einschulung ein großes Ereignis für die Kinder und Familien ist. Dort gibt es die Tradition, den Schulanfang zu „versüßen“, nämlich bereits seit 1817. Die westlichen Bundesländer zogen erst nach 1950 wenigstens mit der Schultüte nach.

Nicht vergessen darf man auch, dass in den östlichen Bundesländern für gewöhnlich KEIN Gottesdienst zum Schulanfang dazugehört (dafür gibts die Feierstunde) und dass in Bayern und etlichen anderen Bundesländern dafür die Kommunion, die es im Osten eher selten gibt, als eben dieses große Brimborium zelebriert wird, wie im Osten die Einschulung.

Ich selbst wurde vor ziemlich genau 40 Jahren in Jena/Thüringen eingeschult und kann mich heute noch daran erinnern, denn es war toll. Mein Sohn wurde ebenfalls in Thüringen eingeschult und es war toll. Die Schultüte war ein großes Geheimnis, denn auch das gehört zur Tradition (und nein, sie ist, auch wenn sie größer ist als im Westen, nicht nur mit Süßkram gefüllt, sondern mit allem, was in der Schule so gebraucht wird, Malzeug, Sportsachen usw., und das wiegt nunmal). Der Tradition nach bekommen die zukünftigen Schulanfänger bei einem Schulbesuch im Frühjahr vor der Einschulung den Zuckertütenbaum präsentiert, ein Bäumchen voll mit ganz kleinen Schultüten. Die Geschichte dazu ist, dass diese kleinen Tüten nun wachsen müssen bis zum Sommer/Herbst und wenn sie groß genug sind, ist Zeit für die Einschulung. Dann werden sie vom Lehrer „geerntet“ und an die Schulanfänger übergeben.

So geschehen bei mir und später auch beim Sohn, jedes Kind wurde von der Lehrerin persönlich in der Schule begrüßt und bekam die (von den Eltern heimlich befüllte und heimlich in die Schule geschaffte) Schultüte überreicht. Danach gabs Mittagessen im Lokal mit Eltern, Geschwistern, Großeltern. Danach zu Hause Grillfest mit dem Rest der Familie, Onkel, Tanten, Cousinen. Die engsten Nachbarn brachten kleine Aufmerksamkeiten mit Schulbezug vorbei, ein Buch, ein paar Stifte, nichts großes. Da die Einschulung Samstag war, gab es reichlich Zeit zum Bestaunen und Bespielen des Schultüteninhalts, zum Feiern und länger aufbleiben, und am Montag drauf begann dann „der Ernst des Lebens“.

Die jüngere Schwester wurde 5 Jahre später in Bayern eingeschult und es war gelinde gesagt ärmlich. Die Schultüte wurde gemeinsam mit dem Kind (soviel zu heimlich) im Kindergarten gebastelt und auch dort zum Kiga-Abschied bereits erstbefüllt. Zur eigentlichen Schuleinführung sollte die dann recycelt werden. Dann 1. Schultag, ein Tag mitten in der Woche, der Papa hatte mit Mühe frei bekommen. Der große Bruder musste selbst in die Schule, denn erster Tag nach den Ferien am Gymnasium, da sollte man allein wegen der Unmengen Organisatorischem besser nicht fehlen. Oma und Opa waren gekommen, weil sie schon Rentner waren, aber der Rest der Familie hätte extra Urlaub nehmen müssen, was dann doch unverhältnismäßig bis unmöglich gewesen wäre. Irgendwann zwischen Frühstück und Aufbruch drückte man der Schulanfängerin die Schultüte in die Hand, die erstmal garkeinen Sinn darin sah, warum sie das Trumm nun erst in die Schule und dann wieder nach Hause schleppen sollte und nicht gleich reinschauen durfte. In der Schule ein unpersönlicher, langweiliger, weil ewig langer, Gottesdienst. Danach alle Schulanfänger in ihre Klassen, ein gemeinsames Lied mit den Eltern, Eltern raus, jetzt ist Unterricht. Keine persönliche Begrüßung, keine Feierstunde, nichts!! Nach einer Stunde Fotosession für die örtliche Presse (Klassenfotos), das wars.

Zu Hause Mittagessen, der große Sohn kam mit nem Berg Papiere und ner langen Zu-besorgen-am-Besten-bis-gestern-Liste aus der Schule und forderte seinerseits Aufmerksamkeit. Die Schulanfängerin musste Hausaufgaben machen (Schultüte ausmalen ist für ein Kind, was nicht gern malt, keine tolle Hausaufgabe am Einschulungstag). Irgendwann zwischendurch fand sich Zeit, die Schultüte zu leeren, aber richtig Zeit, sie auch zu würdigen, war nicht. Und abends war zeitig Feierabend, denn am nächsten Tag war ja Schule.

Ich fand es sooo schade. Ich hätte meiner Kleinen auch so sehr gegönnt, wie der große Bruder mal einen Tag gefeiert zu werden und im Mittelpunkt zu stehen, denn es ist nun mal ein großer Schritt, so eine Einschulung. Aber das ist hier leider nicht üblich. Naja, wir haben das Beste drauß gemacht. Die Schultüte zur Einschulung war eine Überraschung, denn ich hatte noch eine neue gebastelt (ich bastle sehr gern, ganz ohne Wettbewerb mit anderen Müttern). Die Schultüte 2x zu befüllen, war mir einfach zuwider und wenns schon keine große Feier geben konnte, wollte ich doch wenigstens nicht auf die strahlenden Augen wegen der Schultüte verzichten. Die Schultüte ist auch das Einzige, an das sich meine Tochter noch erinnern kann, der Rest der Einschulung ist einfach so an ihr vorbeigeplätschert. Beim Sohn ist das anders, der spricht heute noch manchmal von unserer schönen Familienfeier.“

In diesem Sinne: Vielleicht sollte man beim Wechseln des Bundeslandes einfach einen Zu-Beachten-Ratgeber erhalten. Das würde das Leben echt vereinfachen! 😉

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